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reifenspuren

Hotel Château FrontenacTurkmenistan

28. April bis 1. Mai

Der heutige Grenzübertritt ist etwas mühsam, da wir getrennt werden. Urs muss den ganzen Papierkram für’s Auto abwickeln und ich werde mit den „zu-Fuss-Grenzgänger/innen“ abgefertigt. Es sind fast ausschliesslich Frauen, die hier die Grenze überqueren und jede von ihnen ist schwer beladen mit Einkäufen aus Iran. Alle tragen sie bunte, körperbetont geschnittene lange Kleider und scheinen sich zu kennen. Eine von ihnen, Jeanette, erklärt mir, das sie fast jeden Tag die Grenze überquert und in Iran einkaufen geht. Sie ist Geschäftsfrau und offenbar sind die Waren im Nachbarland günstiger oder die Auswahl besser. Auf jeden Fall werden die schwarzen Säcke von den Zöllnern penibel kontrolliert, obwohl sie ausser Chips-Tüten und Süssigkeiten nichts enthalten. Zu dritt packen sie jeweils die Waren einer Geschäftsfrau aus, einpacken kann sie dann selber wieder. Auch ich muss meine Tasche durch den Röntgenapparat rollen lassen. Aber weiter will der Zöllner nicht schauen. Ich bin froh, denn ich habe immer noch meine krumme Stricknadel drin und wer weiss ob er die als Waffe eingestuft hätte…

Ich bin schon lange wieder draussen, aber von Urs und dem Truckli fehlt jede Spur. Ich versuche vergeblich mich aussen herum auf die Suche zu machen, einer der Zöllner behält mich im Auge und ich muss warten. Endlich sehe ich unser Truckli, es wird von sieben Zöllnern umringt, einer davon scheint ganz verbissen nach etwas Verbotenem zu suchen. Zu guter Letzt öffnet er mühsam eine der Kisten auf dem Dach und findet auch dort nichts Aussergewöhnliches. Die anderen verdrehen hinter seinem Rücken die Augen und warten bis er fertig ist. Endlich gibt er auf. Der letzte Beamte beim Tor bleut uns ein, ja nicht anzuhalten bis wir noch eine allerletzte Passkontrolle hinter uns haben. Nun noch das Apparätli einstecken, Urs erklärt mir, dass es sich um ein GPS Gerät handelt und er sich schriftlich verpflichtet hat, dieses ständig am Strom zu haben und laufen zu lassen, dann endlich können wir losfahren.

Wir sind ja enorm gespannt auf dieses Land. Ich stelle im Mapsme Ashgabat ein und staune, als ich eine Route via einen ganz anderen Grenzübergang erhalte. Offenbar darf man hier nicht nur nicht anhalten, auch GPS-Daten können nicht korrekt empfangen werden. Dies ändert sich erst nach der allerletzten Passkontrolle kurz vor der Stadt, die uns schon von weitem entgegen leuchtet. Die Wohn- und Büroblöcke sind wirklich aus weissem Marmor, die Strassen mindestens vierspurig mit je einer zweispurigen Service-Road auf jeder Seite. De facto also zwölf Fahrbahnen nebeneinander. Und wir fahren ganz allein halt irgendwo in der Mitte. Beim ersten Kreisel drehen wir gleich zwei Runden, damit wir das Pferde-Monument in der Mitte fotografieren können und die Frau, die die saubere Strasse noch sauberer putzt. Wir wissen nicht so recht ob wir so allein unterwegs sind weil Sonntag ist oder ob die schneeweisse Stadt immer mehr oder weniger ausgestorben ist. Auf jeden Fall haben wir keinen Rappen turkmenisches Geld und suchen den russischen Basar, da soll es einen Schwarzmarkt geben. Wir finden auf Anhieb niemanden, der offensichtlich Geld wechselt, also fragen wir in einem Geschäft mit einem freundlichen Besitzer und werden in einen kleinen Laden geschickt. Das Angebot ist gut und mit genügend Manat ausgestattet suchen wir den britischen Pub und trinken wieder einmal ein frisch gezapftes kaltes Bier - soo gut!

Nun brauchen wir noch den Übernachtungsplatz und finden ihn beim Ak Altyn Hotel mitten in der Stadt. Wir dürfen sogar gegen ein kleines Entgelt die Dusche im Kellergeschoss benützen. Im angebauten Saal beim Hotel findet ein grosses Fest statt (es gibt also doch Menschen in dieser Stadt) und als wir vom Znacht zurück kommen, treffen nach und nach die Gäste ein. Die Frauen tragen wunderschöne lange Spitzenkleider, dazu die passenden Highheels und Designer-Taschen und Täschchen. Ein Anblick, den wir seit langem nicht mehr hatten. Wir diskutieren gerade über diese seltsame Stadt, die uns eher wie eine Filmkulisse als etwas Reales vorkommt, als es klopft: Karin und Lorenz aus dem Muotatal, die wir ganz kurz zwischen Masirah und Salalah in Oman getroffen haben, stehen ganz real und wirklich vor der Tür. Sie sind hungrig und wollen noch etwas essen gehen. Zusammen schlendern wir zum Biergarten hinter dem Zirkus (letzter ist leider auch geschlossen) und plaudern über unsere Erlebnisse seither. Pünktlich um 23 Uhr werden wir freundlich aber bestimmt zum Gehen aufgefordert. Das Lokal schliesst. Auch das Fest beim Hotel ist zu Ende und die meisten Gäste schon abgefahren. Gut für Karin und Lorenz, so können sie ihr Auto neben uns parken.

Nach einem gemeinsamen Frühstück fahren die beiden weiter und wir machen uns auf Sightseeing-Tour. Zunächst besichtigen wir den Park der Unabhängigkeit mit dem goldenen Türkmenbashy Monument (von denen gibt es mehrere in der Stadt), dem Unabhängigkeits-monument, dem Ruhnama Monument (das von Turkmenbashy verfasste Werk, das alle weiteren Bücher ausser dem Koran obsolet macht) und einem riesigen Shopping-Center, das gerade renoviert wird. Dann gibt es ein Olympiastadion, welches für die Asian Indoor Spiele (oder so ähnlich) gebaut wurde und jetzt leer steht. Die Hochbahn fährt nicht mehr und auch sonst scheint alles geschlossen zu sein. Menschen fehlen in dieser weissen sterilen Stadt weitgehend. Auch Autos verkehren spärlich verglichen mit den grosszügig angelegten Boulevards. Wir haben jedenfalls nie Mühe mit dem Verkehr und auch die Parkplätze bei Parks und Monumenten sind leer.

Monumente gibt es auf Schritt und Tritt: Eines für weissen Weizen, eines für Gesundheit, eines für „Continuation“. Wir finden ein Beschützer Monument, im Memorial-Park steht ein Vaterlands-Kriegs-Monument und eines zum Gedenken an das Erdbeben von 1948. Dazu blickt von überall her der neue Präsident, Berdymukhamedov, mit väterlichem Lächeln von überdimensionierten Riesenplakaten auf uns hinunter.

Langsam werden uns die monumentalen Darstellungen zu viel. Wir suchen das Hotel, in dem Jürg und Margot absteigen wollen. Sie sind gerade angekommen und froh, mit uns zum Geld wechseln, Bier trinken, Znacht essen fahren zu können. Es wird noch einmal der Biergarten, aber erst nachdem wir noch das Flughafengebäude, das einem - wie sollte es anders sein - monumentalen fliegenden Falken oder sonstigen Vogel nachempfunden ist, bewundert haben.

Wir verlassen Ashgabat Richtung Norden, allerdings nicht bevor wir auch noch das Monument für die Neutralität mit einem grossen Park ringsum besucht haben. Hier lernen wir, dass Turkmenistan das erste neutrale Land der Welt ist.

 

Nach dem Besuch des allerletzten Monumentes in der Stadt, jenem für Neutralität nämlich, verlassen wir Ashgabat nordwärts auf einem der vielspurigen Boulevards. Die Häuser der Vororte von Ashgabat sehen alle gleich aus: Sie haben weisse Mauern und grüne Dächer, die Form ist bei allen gleich, sie sind ein- oder zweistöckig. Die Schulmädchen - wir sehen einige - tragen dazu passende Kleidchen: Grüner Rock und weisse Schürze. Je weiter wir uns allerdings von der Stadt entfernen, desto schäbiger werden die Gebäude und auch die Fahrspuren verringern sich. Wir scherzen noch und meinen, dass die Strasse ganz bestimmt in einer Schotterpiste enden wird. Da wissen wir noch nicht, wir recht wir damit haben…

Auf jeden Fall kommen wir nicht mehr so gut vorwärts, denn die Strasse durch die Karakum Wüste wird bald einspurig und ist voller Schlaglöcher die wir im Zickzack umfahren müssen. Ab und zu kreuzen ein paar Kamele unseren Weg, sonst ist wenig los. Erst am späten Nachmittag biegen wir auf eine Sandpiste ab, die uns zu einem der Darvaza Gaskrater führt. Diese sind das Resultat sowjetischer Gassuche in den 1970er Jahren. Offenbar war die Suche erfolgreich denn einer der Krater brennt seit dieser Zeit und es sieht nicht danach aus als ob das Feuer demnächst erlöschen würde. Zumindest für den Tourismus ist das brennende Loch gut. Ringsum sind ein paar Jurten aufgebaut worden in denen Touristengruppen übernachten.

Wir finden unseren Übernachtungsplatz gleich in der Nähe des riesigen Kraters, der auch Tor zur Hölle genannt wrid. In der Nacht sind die grossen und kleinen Feuer imposant, vor allem wenn man bedenkt, dass sie nun bereits fünfzig Jahre brennen

Am Morgen starten wir relativ früh, denn wir haben ungefähr 270 Kilometer vor uns und die Strasse ist vermutlich nicht in einem besseren Zustand als bisher. So ist es auch, zunächst sind es nur die Schlaglöcher aber je weiter wir fahren, desto schlimmer wird’s und zeitweise müssen wir uns den Weg regelrecht suchen, weil die Strasse ganz fehlt. Wir atmen auf, als wir Konye Urgench erreichen. Die Besichtigung der verstreuten Monumente der alten Stadt, die einst islamisches Zentrum war, ist für uns eine Wohltat. Aussteigen und gemütlich von Gebäude zu Gebäude schlendern, durchatmen und nicht mehr nach dem nächsten Schlagloch Ausschau halten. Wir übernachten auf dem Parkplatz beim Museum und kommen hier zum ersten Mal mit turkmenischen Menschen in Kontakt. Und diese sind so freundlich und hilfsbereit wie sie es in den anderen Ländern auch waren. Der Parkplatzwächter heisst uns willkommen und bedeutet uns, dass wir problemlos hier schlafen können, die Frau im Minimarkt lässt uns alle Gutzli probieren, bevor wir davon kaufen und im „Restaurant“, wo wir essen und die einzigen Gäste sind, werden sehr zuvorkommend bedient. Wenn wir dieses Land länger hätten bereisen dürfen, hätte sich wahrscheinlich einiges von unseren seltsamen Eindrücken ein wenig relativiert. So war es halt vor allem die Hauptstadt, die prägend war für das Erleben dieses Landes, von dem wir auch jetzt, nach diesen fünf Tagen, extrem wenig wissen und überhaupt nicht einschätzen können, wie die Menschen ihre Situation erleben. Irgendwie kamen wir uns während dieser fünf Tage vor wie Statisten in einem Film, dessen Handlung uns verborgen blieb.

 

Gebühr um Gebühr wird fällig

FlötenspielerEine bezahlen wir für die Visa, die nächste für die Einreise, dann wird eine Bankgebühr fällig und dann muss auch der temporäre Import bezahlt werden. Dann ist eine Kompensationszahlung für die Dieselkosten fällig und und auch für das GPS Gerät, das wir mitführen müssen, bezahlen wir. Schliesslich schliessen wir auch noch eine Haftpflichtversicherung ab. Das wär's dann gewesen...

 

Hauptsache weiss!

FlötenspielerIn der weissen Stadt Ashgabat gibt es keine Ausnahmen. Auch der weisse Streifen auf der Strasse muss weiss bleiben. Allfällige Verunreinigungen werden zuerst mit Besen, anschliessend je nach Verschmutzung mit einem nassen Lappen oder einer Bürste gescheuert - bescheuert muss man da wohl sagen...

 

Harter Job

FlötenspielerDie Wachmänner, die bei den wichtigsten Monumenten stehen müssen, dürfen sich nicht bewegen. Für zwei stehende Wachen ist jeweils ein Soldat zuständig der ihnen Wasser aus einer Flasche einflösst, ab und zu den Hut lüftet und auch sonst aufpasst, dass bei der herrschenden Hitze keiner umkippt.

 

Reisen bildet...

FlötenspielerBeim Monument für Neutralität, das in einem wunderschönen Park steht und von zwei unbeweglichen Wächtern bewacht wird, lernen wir, dass Turkmenistan der erste neutrale Staat der Welt ist. Allerdings lässt mich der Soldat, der für die Wächter sorgt, nur das Monument, nicht aber die Inschrift fotografieren, das muss ich dann im Versteckten tun. Wer weiss, vielleicht hat er ja auch Zweifel an der Richtigkeit des Textes...

 

Kein Fitzelchen liegt am Strassenrand

FlötenspielerDas liegt aber nicht daran, dass es so viele Putzmaschinen gibt. Überall trifft man die Frauen in ihren langen Gewändern beim Abfall sammeln, Blumenbeete jäten und wischen.