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reifenspuren

Hotel Château FrontenacTadschikistan

20. Mai bis 6. Juni

Am Morgen machen wir noch die letzten Einkäufe im Supermarkt von Kokand und mit vollem Kühlschrank geht es wieder einmal Richtung Grenze. Die Gegend ist wunderschön mit ihren Obstplantagen. Es gedeihen hier sehr viele Aprikosen, aber auch Kirsch- und blühende Granatapfelbäume sehen wir. Der grosse Kairakkum-Stausee leuchtet türkisfarben vor den braunen Bergen und wir geniessen die fruchtbare Fergana-Tal-Landschaft noch eine Weile. Der Grenzübertritt ist auch hier einfach. Die tadschikischen Grenzbeamten wohnen offenbar auch in ihren Büros, denn in jedem steht hinter dem Schreibtisch gleich ein Bett. Auf kleinen Gaskochern wird gekocht, im Moment ist es nur Tee. Wir gehen von Büro zu Büro und bezahlen die bescheidenen Gebühren. Bei der Einfuhr unseres Trucklis macht uns der Beamte mehrmals und eindringlich darauf aufmerksam, dass wir das Auto nur 15 Tage im Land haben dürfen. Ansonsten drohen drakonische Strafen.Wir fragen, ob wir diese Frist verlängern können und er meint, in Duschanbe sollte das gehen. Noch rasch eine Kontrolle was heisst: Hintere Türe öffnen, zwei Kisten zeigen, das Bett erklären und alle sind zufrieden. Wir können weiterreisen. In Chojand besorgen wir uns gleich Geld und eine Sim-Karte und fahren auf einen Parkplatz am Fluss in der Nähe eines schönen Parks mit Touristeninformation. Hier wollen wir übernachten. Zuerst aber machen wir einen Spaziergang durch den Park und das anschliessende Quartier mit Zitadelle und Museen. Zum Essen kehren wir in einem Gartenrestaurant mit Shashlik und Bier ein. Auch Brot können wir im kleinen Park kaufen und so sind wir auch gleich für’s Frühstück versorgt.

Am Morgen müssen wir dem Parkwächter eine kleine Gebühr bezahlen für’s Parkieren in der Nacht, dann suchen wir den Pachshanbe Bazar, der in einer grossen schönen Halle untergebracht sein soll. Zuerst landen wir in einem Gebäude mit Dutzenden von Schneidereien, aber dann sehen wir den grossen Platz und die daran anschliessende Markthalle. Die Früchte sehen gut aus und auch das Gemüse macht einen frischen Eindruck. Noch schnell alles gut verstauen im Truckli, dann geht es stadtauswärts Richtung Südwesten eigentlich wieder Richtung Samarkand…

Die Strasse ist recht gut und führt durch schönes Landwirtschaftsgebiet. Wir fahren fast durch das ganze Zerafshan Tal bis kurz vor Pandschakent, wo wir zu den sieben Seen abzweigen. Nun wird das Fahren ein bisschen abenteuerlicher aber wir kommen gut voran und erreichen gegen Abend den dritten der sieben Seen. Wir sind nicht die Einzigen. Schon kurz nach der Abzweigung kommen uns die Franzosen entgegen, die wir schon zweimal kurz getroffen haben. Beim See steht ein deutsches Paar ebenfalls mit einem Landcruiser: Karin und Christian. Sie geben uns ein paar Wandertips und fahren am nächsten Morgen weiter. Wir wandern nach dem Frühstück zum vierten See und bis fast zum fünften. Aber es ist ein Gewitter im Anzug und es grollt schon seit Längerem. Vor dem Dorf hinter dem sich der fünfte See befände, kehren wir um und kommen trotz Beeilung halbnass beim Truckli an. Wir machen es uns drinnen gemütlich und es dauert auch nicht lange, haben wir Kinder zu Besuch. Alle kennen sie die Fussballstars aus den verschiedenen Ländern, deren Wappen auf unserem Auto kleben. Es bleibt kalt und windig, es gibt wieder einmal ein Notfall-Suppenznacht und wir müssen unsere Standheizung in Betrieb nehmen, damit der Abend gemütlich bleibt.

Erst beim Hinunterfahren sehen wir, dass der Regen gestern im Tal weiter vorne wesentlich heftiger gewesen sein muss als bei uns. Es hat Erdrutsche gegeben, die Bagger sind am Aufräumen und Durchfahrten schaufeln. Überall sprudeln kleinere und grössere Bäche zu Tal und der Zerafshan ist zu einem wild reissenden braunen Fluss geworden.

Es regnet ziemlich stark, windet und ist kalt. Das sind wir gar nicht mehr gewohnt. Den letzten richtigen Regen hatten wir in Mashad. Trotzdem fahren wir zum Iskanderkul, einem weiteren See im Fan-Gebirge. Auch dieser befindet sich auf über 2’000 m ü.M. und wir hoffen auf Sonne - leider vergeblich. Wir fahren zu einem Platz direkt am Seeufer, aber es ist uns zu windig und zu nass nur zwei Meter vom Ufer entfernt. Zu guter Letzt übernachten wir in der Nähe der Präsidenten-Residenz und haben - oh Wunder - Internet. Obwohl Urs uns tapfer ein Znacht kocht draussen, essen wir drinnen mit Heizung. So langsam sind wir wieder froh um unsere Webasto mit Höhenkit. Hoffentlich funktioniert sie dann auch auf dem Pamir…

Am Morgen deckt Nebel alle die Berggipfel zu. Die Wolken hängen tief aber es regnet zumindest nicht mehr. Aber ich bin auch am Morgen froh über die Heizung, die Urs für mich angestellt hat. Zum Wandern ist das Wetter nicht, so ganz ohne Aussicht und alles nass macht es keinen Spass. Wir fahren deshalb weiter nach Duschanbe und suchen uns ein Hotel. Es ist dann aber nicht ganz so wie wir uns das vorgestellt haben. Offenbar sind wir die einzigen Gäste, der Preis ist höher als erwartet und das Wäschewaschen kostet ein Vermögen. Aber je nu halt, wir sind da, haben eine warme Dusche, das Zimmer ist sauber und der Rest ist wie er ist. Wir machen einen Spaziergang Richtung Rudaki-Park wo sich die meisten Sehenswürdigkeiten befinden und gönnen uns dann ein feines indisches Nachtessen. Das Frühstück (ein Büfett für uns zwei…) ist sosolala. Aber die Stadt mit ihren gossen alten sowjetischen Gebäuden gefällt uns. Leider ist schon viel abgerissen und noch mehr wird verschwinden. Ganze Strassenzüge werden neu gebaut, auf Plakaten kann man schauen wie es dann werden soll.

Wir brauchen fast den ganzen Tag, um auf dem schönen breiten Mittelstreifen den mit Platanen beschatteten Rudaki-Prospekt zu erkunden. Die Gebäude links und rechts sind in verschiedenen sowjetischen Epochen entstanden. Wir hoffen, dass zumindest die prächtige Oper erhalten bleiben wird. Nach dem Flanieren ist noch einmal Einkaufen angesagt, damit wir gerüstet sind für die Berge, in denen wir die nächsten Tage verbringen werden. Und unser ukrainisches Abendessen soll natürlich auch erwähnt werden: Nach einer Vitamin-Bombe, einem Salat ohne Mayonnaise dafür mit vielen Kräutern und Olivenöl, essen wir einen Topf geschmortes Schweinefleisch mit Pilzen und Rahmsosse. Schmeckt sehr fein. Einzig ein Glas guten Rotwein vermissen wir.

Wir entscheiden uns nach langem Hin und Her die Südroute Richtung Pamir zu nehmen. Irgendwie fällt es uns immer noch schwer, eine Vorstellung von dem zu entwickeln, was uns erwartet. Die Strecke ist gut unterhalten, führt durch fruchtbares Landwirtschaftsgebiet. Auch hier wird viel Baumwolle angebaut, aber daneben sieht man auch Kartoffelfelder, Pistazienhaine, Aprikosen- und Sauerkrischenplantagen. Die Berge sind viel weniger schroff als wir uns das vorgestellt haben, es sind eigentlich eher Hügel. Dann steigt die Strasse doch noch an, wir überqueren einen kleinen Pass und erreichen das Flusstal des Panj, der die Grenze zu Afghanistan bildet. Die Landschaft ist wahnsinnig schön. Die Berge sind in einem satten Rotbraun, die Vegetation bis weit hinauf in saftigem Dunkelgrün und oberhalb der Vegetationsgrenze sind die Spitzen immer noch weiss verschneit. Es sind Farben, die wir schon lange nicht mehr so intensiv gesehen haben. Wir stellen unser Truckli in eine saftige Wiese mit Aussicht auf das Tal und die Berge in Afghanistan. Es ist just die Stelle, wo der Panj zwischen zwei Bergketten ins hintere Tal strömt.

Heute gibt es bei uns zweien wieder einmal Spaghetti Bolognese. Im letzten Abendrot sitzen wir vor dem Truckli und staunen, wo wir uns befinden: Ein paar hundert Meter von Afghanistan entfernt… Und es dauert dann doch nicht so lange bis zwei Männer auftauchen und uns freundlich darauf aufmerksam machen, dass wir den Telefonmasten oder was immer sich da etwas weiter unten am Hügel befindet, nicht fotografieren dürfen. Ansonsten gibt es kein Problem.

Wir starten unseren Tag wieder bei strahlendem Sonnenschein, ich muss die Sonnenbrille schon zum frühstücken aufsetzen. Wir fahren den ganzen Tag dem Grenzfluss Panj entlang und befinden uns immer quasi einen Steinwurf von Afghanistan entfernt. Wir können das Leben am Fluss beobachten und stellen fest, dass hüben wie drüben fleissig Teppiche gewaschen und an der Sonne zum Trocknen ausgelegt werden. Mittagspause machen wir in Kalai-Chumb. Eigentlich möchten wir Brot kaufen, finden aber keines. Der Bazar besteht ungefähr aus zwei Ständen in einem düsteren Gebäude. Ein einziges „Magazin" mit Lebensmitteln gibt es an der Strasse. Die Hälfte des Angebots besteht aus offenen Gutzis die uns aber nicht wirklich anmachen.

Wir kommen nur langsam voran. Für knapp 100 Kilometer brauchen wir fünf Stunden. Die Strassen sind enorm schlecht, alles ist eng, oft ist ein Teil des Piste verschüttet, manchmal liegen kleine Steine, manchmal ganze Felsbrocken darauf. Wir müssen aufpassen wie die Häftlimacher, damit wir keine Schäden produzieren. Gottlob hat es nicht viel Gegenverkehr denn an vielen Stellen ist die Strasse richtig eng: auf der einen Seite die Felswand und auf der anderen der Abgrund mit dem ziemlich stark fliessenden Panj in der Tiefe. Aber es geht immer irgendwie. Wir staunen auf jeden Fall, wie schnell die Einheimischen unterwegs sind.

Es wird schon langsam Abend, als wir auf einen Hügel fahren, wo iOverlander einen flachen Platz mit Aussicht verspricht. Superwunderschön! Wir geniessen bei einem kurzen Apéro die Abendsonne und die wunderschöne Aussicht auf verschneite Berggipfel und die saftig grünen afghanischen Dörfer auf der anderen Seite des Flusses, bevor wir mit dem Kochen beginnen. Es gibt fast noch ein kleines Abendrot auf die verschneiten Berge, dann aber löscht die Sonne rasch und es wird kühler. Abwaschen müssen wir schon im warmen Faserpelz…

Wieder weckt uns die Sonne und es ist bereits am frühen Morgen angenehm warm. Uns steht wieder ein Fahrtag bevor und wir rechnen nicht damit, viele Kilometer zurückzulegen. Wir nehmen’s gemütlich, halten in den kleinen Dörfern, irgendwo finden wir sogar noch Brot zu kaufen. Überall grüssen die Menschen am Strassenrand und die Kinder winken schon von weitem und rufen ihr „hello“. Das ist aber nicht immer das einzige was sie können in englisch. Viele sprechen einige Sätze und erzählen auch, dass sie in der Schule sowohl Russisch als auch Englisch lernen. Und so erstaunt es nicht, dass die Tochter des Besitzers eines kleinen Ladens uns wunderbar nach unseren Wünschen fragen und entsprechend bedienen kann.

Die Landschaft ist weiterhin traumhaft schön, Afghanistan immer noch vis-à-vis des Flusses und es ist kein Ende in Sicht. Schon seit mehr als 370 Kilometer folgen wir dem Panj, manchmal im Schritttempo, manchmal mit 40 Stundenkilometern, viel schneller sind wir aber nie. Wir wollen nicht in Khorugh übernachten, deshalb suchen wir uns vorher einen Platz. Das ist in dem meist engen Tal nicht ganz einfach. Aber in Yomj können wir am Weg dem Fluss entlang sehr schön stehen. Es würde mich hier sogar reizen, die Fischrute auszupacken. Aber erstens windet es sehr stark und zweitens ist das Ufer sehr steil und mit Bäumen bepflanzt. Der Fluss hat enorm starke Strömung und es wäre wohl nicht empfehlenswert, hier hinein zu fallen.

Am Dorfeingang zu Khorugh gibt es eine Brücke mit Grenzübergang von und nach Afghanistan. Hier können wir die Bewilligung fürs Auto verlängern. Es dauert eine knappe Viertelstunde bei einem sehr netten Beamten, kostet uns etwa 10 Franken und wir können uns nun so viel Zeit lassen wie wir brauchen bei unserer Fahrt durch das wunderschöne Bergland. Khorugh selber ist eine kleine Stadt mit Bazar und Supermarkt. In der sehr guten Touristeninformation kaufen wir eine Pamir Landkarte Made in Switzerland. Auf meine Frage zum Fischen im Panj bekomme ich jedoch eine abschlägige Antwort. Es ist der Grenzfluss und Fischen ist verboten. So, jetzt weiss ich es.

Wir tanken unser Truckli auf und machen einen langen Spaziergang im weltweit zweithöchsten botanischen Garten mit Lupinen, Esparsetten, Margeriten, Hornklee, Flieder Schneeball und vielem mehr. Wir finden den Garten sehr charmant, da er ziemlich verwildert ist und man alles ein bisschen suchen muss. Anschliessend fahren wir noch ein Stück weiter bis in’s Dorf Dash, das ebenfalls in der Höhe liegt. Unser Schlafplatz hat atemberaubende Aussicht ins Tal und wir - obwohl am Dorfrand stehend - sind die Attraktion für die Dorfkinder. Sie kommen alle vorbei - unser Kaugummivorrat schmilzt wie Schnee an der Sonne.

Am Morgen hören wir die Kinder auf dem Schulweg. Auch wir machen uns auf, fahren aber noch ein kleines Stück zurück zur Abzweigung nach Garm Chashma, wo sich heisse Quellen befinden. Wir erkennen die Quelle von weitem an den von einer bräunlich-weissen Sinterkruste überzogenen Felsterrassen. Es gibt zwei getrennte Becken mit türkis-trübem, weil stark mineralisiertem, Wasser das leicht nach Schwefel riecht. Was mich sehr wundert: Frau badet nackt! Das hätte ich nicht erwartet aber ich geniesse es natürlich und bin nach einer Weile ganz allein im grossen Pool. Einzig eine kalte Dusche zum Abkühlen fehlt…

Noch vor der nächsten grösseren Ortschaft suchen wir einen Schlafplatz, denn wir wollen nicht bis am Abend fahren. Wir stellen uns ins hier sehr breite Flussbett hinunter und finden es ganz schön bis es nach einer Weile zu winden und zu stürmen beginnt. Der Sand des breiten Flusstales wird in alle Richtungen geweht und wir sind wieder einmal sandig-staubig wie damals im Oman und in den Emiraten… Zum Glück legt sich der Wind am Abend und wir verbringen trotz allem eine ruhige Nacht im Aufstelldach.

In Ischkoschim können wir wieder Brot kaufen - duftende Fladen frisch aus dem Tandoori-Ofen. Wir versuchen, noch andere Lebensmittel zu posten aber sogar Eier sind nicht einfach zu bekommen. Als wir zum Truckli zurück kommen, stehen Karin und Christian hinter uns am Strassenrand. Sie sind am Brot schnausen…

Unser nächstes Ziel ist Bibi Fatima, wieder eine heisse Quelle in den Hügeln oberhalb der Talstrasse. In Vichkut, dem Dorf mit einer Fortruine, das man passiert, wenn man zur heissen Quelle Bibi Fatima will, fragen wir einen Bauern ob wir auf seiner ebenen Wiese übernachten dürfen. Klar dürfen wir, kein Problem. Wir fahren also hoch zur Quelle und müssen zunächst herausfinden, wie das funktioniert. Es ist nicht schwierig. Als wir ankommen steigen gerade etwa zehn Frauen aus einem Sammeltaxi. Sie nehmen mich einfach mit und schon stehe ich in einer schönen Felsgrotte mit natürlichem Becken, das von einer recht heissen Quelle gespeist wird. Es ist gerade etwas voll, aber lustig. Mit Urs baden nur vier russische Motorradfahrer…

Am Abend gibt es dann einen veritablen Gewittersturm der aber vorüberzieht und unsere Nacht nicht stört. Am Morgen bestaunen wir noch einmal unsere sensationelle Aussicht: Wunderschöne Bergsicht auf den Hindukusch auf der einen Seite und die Shakhdara Kette auf der anderen. Und immer noch ist es der unermüdliche Panj, der das Tal dazwischen gegraben hat.

Wir nehmen Abschied von Vichkut. Der Mann vom Platz will nun doch noch ein wenig Geld, 10 Somoni (ungefähr Fr. 1.20) und dann fragt er mich ein paar Mal, ob das jetzt ein Problem sei. Natürlich ist es keines, ich muss lachen. Wir machen noch Föteli, dann fahren wir. In Langar machen wir Halt und wollen in die Höhe steigen um den Zusammenfluss von Pamir und Wakan zu sehen. Ich steige weiter als Urs, bis zum Friedhof hoch über dem Dorf. Die Aussicht ist schön, aber den Zusammenfluss sieht man auch von hier nicht wirklich. Entweder führen die Flüsse zu wenig Wasser und verzweigen sich zu stark im Delta oder ich bin immer noch zu wenig hoch. Aber auf 3’000 m ist das so eine Sache mit steilen Aufstiegen. Ich komme ganz schön ins Schnaufen.

Brot können wir auch hier keines kaufen, dafür wissen wir jetzt warum alle Kinder so schön angezogen sind und wir in allen Dörfern, die wir passiert haben, Musik gehört und irgendwie Festlaune gespürt haben. Es ist Kinderfest!

Nun steigt die Strasse an und wir verlassen das fruchtbare Panj Tal mit seinen fleissigen Bewohnern. Es wird kahl und öde, aber die schneeweissen Gipfel des Hindukusch begleiten uns weiterhin und entlocken uns noch manches Ah und Oh. Sie ist eindrücklich, die Gegend. Und doch, nach so vielen Tagen und mehr als sechshundert Kilometern dem Panj (seit heute heisst er Pamir) entlang, immer im Flusstal und links und rechts die Berge, hat ab und zu auch etwas Beklemmendes. Es gibt nur diese Strasse und das Tal ist manchmal weit und fruchtbar, dann wieder nur noch eine Schlucht durch die sich der Fluss genauso zwängt wie sich die Strasse den Felswänden entlang windet. Und da kommt schon mal der Gedanke an einen Felssturz oder so auf, vor allem wenn man sieht, wie Steinschläge und Erdrutsche die Strasse immer wieder beschädigen. Aber jetzt sind wir kurz vor dem Pass, der uns dann wirklich auf dieses berühmte Dach der Welt bringen wird. Hier wollen wir noch einmal am Fluss übernachten. Dummerweise verlieren wir am linken Hinterrad Luft. Wir holen den Kompressor aus unserer Dachkiste und pumpen mal auf. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, Vielleicht hält die Luft ja. Mal schauen wie es morgen aussieht. Vielleicht schaffen wir es ja noch bis in eine Ortschaft mit einem Reifenflicker…

Drei Velofahrer haben’s auch gerade bis hierhin, an den sehr schönen Platz geschafft. Sie sind in umgekehrter Richtung unterwegs und zelten jetzt neben uns. Von ihnen erfahren wir, dass das, was wie eine Ortschaft aussieht vor dem Pass eigentlich keine ist. Also gibt es da wohl auch keinen Reifenflicker. Das Wetter ist garstig geworden und es zieht wieder ein Gewitter auf. Kaum stehen ihre Zelte, fällt der erste Graupelschauer. Als das Gröbste vorbei ist, wollen wir mit Kochen beginnen. Da der Benzinkocher der Veolofahrer kaputt ist, helfen wir aus und kochen zuerst ihren Gemüsetopf und viel heisses Wasser damit sie ihre Instant-Nahrung anrühren können. Lange bleiben wir nicht mehr draussen und gehen heute einmal nicht ganz ruhig schlafen.

Eigentlich haben wir’s schon in der Nacht gemerkt: Unser Truckli hat Schieflage… Die Luft im Reifen hält nicht wirklich lange. Wir stehen schon früh auf, die Velofahrer sind um halb sieben schon fast fahrbereit denn es ziehen dunkle Wolken auf. Wir überlegen, was wir machen wollen. Hier in der Pampa bei schlechtem Wetter Rad wechseln scheint uns nicht so verlockend, vor allem weil wir ja eine Alternative haben. Die 35 Kilometer zurück nach Langar sollten zu schaffen sein. Wir hängen unseren Kompressor noch einmal an und während dem Pumpen trinken wir Kaffee, dann sind wir auch schon startklar. Wir rechnen damit, dass wir zweimal nachpumpen müssen. Aber das ist dann doch nicht so. Es reicht bis zum Hostal, in dem auch eine kleine Autowerkstatt sein soll. Da können wir im recht grossen Innenhof parkieren. Der Besitzer ist allerdings nicht da (es ist Sonntag) und seine Frau spricht kein Wort englisch. Aber das macht nichts. Zunächst holen wir unser Frühstück nach, dann packen wir mal alle Utensilien aus, die wir voraussichtlich benötigen. Zusätzlich auch gleich den Wasserfilter, der ebenfalls ersetzt werden muss. Es ist das erste Mal, dass wir selber ein Rad wechseln müssen. Das Werkzeug dazu schleppen wir schon seit Beginn unserer ersten Reise mit uns und stellen nun fest, dass wir damit die Schrauben nicht lösen können. Also warten wir weiter auf den Werkstattmann. Vielleicht kann er ja helfen. Am späteren Nachmittag fährt ein Toyota HZJ 105, aber eine Limousine wie unserer es mal war, auf den Hof. Es sind australische Touristen mit ihrem Fahrer. Dieser sieht unser Problem, holt sein eigenes Werkzeug und löst unser Rad. Unser „mitgelieferter“ Schraubenschlüssel hat nicht einmal die richtige Grösse… Als ich dann den Werkzeugkasten hole lacht Layliev und zeigt mir, wie wir die Schrauben ganz einfach hätten lösen können. Wir haben nämlich bestes Werkzeug dabei, einfach nicht als Radwechsel-Hilfe im Bewusstsein… Es ist uns schlicht nicht in den Sinn gekommen. Unser Reifen hat drei kleine Löcher alle nebeneinander und mit drei Würsten können wir sie stopfen. Aber wir montieren trotzdem den Reservereifen, denn die Strasse über den Pass und hinauf auf’s Dach der Welt wird nicht besser. Layliev hilft uns auch dabei. Da sind wir wirklich froh, denn ein Rad vom Dach zu nehmen und ein anderes wieder hochzuhieven wäre für uns ziemlich anstrengend geworden. Glücklich packen wir alles wieder zusammen und haben viel gelernt und noch mehr Sicherheit gewonnen heute. Das nächste Mal können wir’s selber!

Am Abend essen wir gemeinsam mit den Australiern im Hostal und erleben wieder einmal hautnah, was ein einfaches Leben ist. Der Generator funktioniert nicht wirklich gut und wir sitzen im Dunkeln, eine Stirnlampe und eine Glühbirne, die an eine Autobatterie angeschlossen ist, sind unsere Beleuchtung. Wir holen dann noch unsere „Grütti-Solarlampe“. Zum Essen gibt es eine sehr gute Suppe mit wenig Fleisch, dafür aber Gemüse, Kichererbsen und Kartoffeln, dann einen Salat, d.h. ein wenig geschnittene Tomaten mit Zwiebeln und als Hauptgang Kartoffelpüree (ohne Milch, Rahm oder gar Butter; einfach zerdrückte Kartoffeln) mit ganz wenig Huhn.

Glücklich und zufrieden gehen wir heute schlafen und freuen uns auf die morgige Weiterfahrt.

Tagwacht ist früh im kleinen Hostal und alle sind in Aufbruchstimmung. Wir verabschieden uns herzlich von den hilfreichen Menschen und sind so dankbar für die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die wir einmal mehr erfahren durften. Für uns geht es wieder bergauf, die Strecke die wir schon kennen, inklusive den Schaf- und Ziegenherden, die mittlerweile ein Stück weitergezogen sind. Wir erreichen den nächsten Checkpoint ohne Probleme, bedauern ganz wenig, dass wir es verpasst haben, in Khorugh eine Bewilligung für das Zorkul-Naturschutzgebiet zu kaufen und fahren Richtung Pass. Er ist nicht steil sondern eher langgezogen und wir erreichen die Passhöhe auf 4’344 m problemlos. Der See ist noch halb gefroren und es hat letzte Schneefelder bis zur Strasse hinunter. Auf der anderen Seite geht es nicht mehr viel hinunter, auch hier ist das Tal langgezogen und sanft abfallend. Nun erreichen wir den effektiven Pamir-Highway. Es hat vereinzelt chinesische Lastwagen, aber eigentlich nicht viel Verkehr. Wir fahren ein kleines -Stück in die „falsche“ Richtung bis zur Abzweigung nach Bulunkul. Das ist unser nächster Halt, ein Dorf mit einem See, die sich immer noch auf mehr als 3’700 m ü.M. befinden. Das Dorf besteht aus einer Handvoll weisser Häuser und es hat ein „Magazin“ für Lebensmittel. Wir fragen nach Brot und bekommen einen schweren in der Form gebackenen Laib, der uns gut schmeckt. Dann fahren wir auf einer der vielen Pisten an den See und richten uns für die Nacht ein. Ausser den vielen fliegenartigen Viechern, die überall unterwegs sind, stört uns nichts und niemand. Die Aussicht auf die Berge, die sich am Morgen im ruhigen See spiegeln, ist grandios, die Kälte aber empfindlich. Wir nehmen sicherheitshalber noch unsere Wolldecke ins Trucklibett und sind froh darüber.

Zurück auf dem Pamir-Highway passieren wir das kleine Dorf Alichur bevor wir Murghab erreichen. Es ist eigentlich auch ein Dorf - wir haben uns eine Stadt vorgestellt aber nie darüber nachgedacht, dass wir uns auf 4’000 m über Meer befinden. Diesel kann man hier aus Kanistern tanken, es gibt einen Basar, jeder Stand ist in einem Container untergebracht und es hat ein paar Unterkünfte, von denen laut Reiseführer das Pamir-Hotel das einzige sein soll, in dem man absteigen kann. Aber das wollen wir gar nicht sondern wir möchten etwas essen und im Laden nebendran einkaufen. Als wir uns umsehen, entdecken wir Schuhe vor einer der Yurten vor dem Hotel und sehen nach, ob man da essen kann. Wir werden freundlich begrüsst von den Velofahrern, die es sich hier gemütlich gemacht haben. Zwei junge Schweizerpaare und ein ebensolcher Ire sitzen und liegen auf den bunten Matten und Kissen und haben ihre Habseligkeiten ordentlich gestapelt. Alle fünf haben mehr oder weniger den gleichen Weg hinter sich wie wir auch, sind aber alles gestrampelt. Wir schwatzen noch eine Weile und wollen dann etwas essen gehen. Dummerweise haben wir die Lunch-Time verpasst. Es gäbe noch Kabissuppe, aber darauf verzichten wir. Auf dem Container-Basar kaufen wir das Nötigste ein. Erstaunlicherweise gibt es ein gutes Angebot an Früchten. Der Megafon-Shop hat auch geöffnet und der Angestellte macht unsere irgendwie gesperrte Sim-Karte wieder funktionstüchtig. Erst gegen halb vier sind wir wieder fahrbereit. Im Dorf selber wollen wir nicht bleiben und ein paar Kilometer ausserhalb finden wir bereits einen halbwegs windgeschützten Platz in den Hügeln abseits der Strasse. Es dauert nicht lange, da kommen auch Christian und Karin, die Deutschen und wenig später gesellt sich noch ein schottisches Paar auf dem Heimweg zu uns. Kochen und essen können wir noch knapp draussen, dann wird es aber kalt und der Wind trägt dazu bei, dass wir es nicht mehr lange draussen aushalten. Alle verschwinden in ihren diversen Behausungen, niemand hat Platz für alle…

Am Morgen können wir schon wieder an der Sonne frühstücken, aber frisch ist es dennoch. Wir fahren weiter auf dem Dach der Welt und erreichen auf einer mehr oder weniger holprigen Piste den Karakul, einen riesigen türkisblauen See umgeben von weiss verschneiten Bergen - traumhaft schön aber doch recht kalt in dieser Höhe. Der Schnee ist nicht weit und obwohl es recht sonniges Wetter ist hat es immer wieder Wolken die die umliegenden Hügel wie mit Puderzucker bestäuben. Wir fahren auf einer Piste bis ans Ufer und verbringen den Nachmittag teils draussen an der Sonne, mehrheitlich aber windgeschützt drinnen, denn sie scheint nur ab und zu und ohne ihre Wärme ist es nicht wirklich gemütlich. Auch der Karakul befindet sich auf knapp 4’000 m ü.M.

Wir verlassen das Gebiet nicht, ohne dem Dorf Karakul, das mehrheitlich von Kirgisen bewohnt ist, einen Besuch abzustatten. Bei einer Familie kaufen wir Brot und bekommen gleich einen Plastiksack frittierter Teigstücke zum Probieren. Sie schmecken richtig gut und sollen eine Spezialität der Gegend sein. Aber dann liegt ein Pass und wieder einmal ein Grenzübergang vor uns. Letzterer ist wirklich speziell: Auf 4’200 m über Meer reisen wir aus Tadschikistan aus. Passt ja eigentlich gut zum Dach der Welt, auf dem wir uns immer noch befinden. Die Strasse ist passierbar, hat aber tiefe Furchen wohl aus Tagen, als es nass war. Die Kirgisen haben ihren Übergang weiter unten etabliert. Wir fahren fast zwanzig Kilometer durch Niemandsland bis wir im neuen Land einreisen.

 

Znünipause auf dem Feld

FlötenspielerÜberall in der fruchtbaren Fergana-Ebene sind die Menschen am Bearbeiten ihrer Felder. Maschinen sehen wir eher selten, es wird sehr viel von Hand geackert und das bei Temperaturen von über dreissig Grad Celsius!

 

So schöne Orangen-Mandarinen

FlötenspielerWir haben gleich einen ganzen Sack von diesen orangen Schönheiten gekauft und freuen uns schon auf die Durstlöscher unterwegs. Manchmal würde es sich schon lohnen, bereits auf dem Markt zu probieren was man da kauft. Wir haben einen Sack allersauerste Zitronen gekauf in der Meinung, es wäre so etwas wie Mandarinen. Da hat nur die Farbe gestimmt...

 

Blumen - für den Präsidenten?

FlötenspielerIn ganz Duschanbe wird fleissig gepflanzt. Jede Rabatte bekommt ihre blühenden Blumen. Kein Wunder, an jeder Ecke grüsst Präsident Rahmon von überdimensionalen Plakaten. Fast immer steht er in einer Blumenwiese und fast immer sind die Blumen rot - entweder ist es Mohn oder es sind rote Tulpen. Wahrscheinlich hat ihm sein Marketingchef gesagt, das komme gut an bei der Bevölkerung. Da muss natürlich auch die Hauptstadt mit grossartiger Blütenpracht aufwarten.

 

Wie kommen die wohl ins Wakhan-Tal?

FlötenspielerImmer mal wieder stossen wir im engen Panj-Tal (Wahkan-Tal) auf Eisenbahnwagen, die offenbar einen neuen Verwendungszweck bekommen haben. Die einen sind rostiger, die anderen gepflegter. Wir werweisen allerdings, wie die dahin kommen denn wir begegnen nicht einmal Lastwagen...

 

Die Schweiz fehlt, aber nicht überall...

FlötenspielerAuch im Wakhan-Tal sind die Menschen auf Hilfe angewiesen. Hier wird mit Hilfe des Panj Elektrizität gewonnen, die nicht nur den Tadschiken zu Gute kommt, sondern auch auf der anderen Seite des Flusses von den Afghanen genutzt wird. Die Aga Khan Stiftung ist hier allgegenwärtig und bei der Umsetzung fast jeden Projektes in irgend einer Art involviert. Er wird in der ganzen Gegend entsprechend verehrt.

 

Wenn das Holz fehlt...

Flötenspieler... geht man sorgfältiger um mit den Bäumen. Im ganzen Wakhan-Tal werden sie nachhaltig bewirtschaftet. Die Äste werden so abgeschnitten, dass der Baum immer wieder neu austreiben und neues Holz produzieren kann. Wir sehen richtige Prachtsexemplare mit dicken, alten Stämmen und neuen jungen Trieben.

 

Gehört auch dazu

Flötenspieler... überall werden Bäume mit Stecklingen vermehrt. Um sie vor den gefrässigen Ziegen zu schützen, bekommt jeder einzelne Steckling eine Hülle aus stachligem Dorngestrüpp - offensichtlich sehr erfolgreich wie wir vielerorts sehen können.

 

Kommunistische Helden...

Flötenspieler... im ewigen Eis verewigt: Die Shakhdara Kette auf der tadschikischen Flussseite mit dem Karl Marx Peak (6723) und dem Engels Peak (6507). Welches welcher ist (oder ob wir überhaupt die richtigen betrachten) wissen wir allerdings nicht so genau...

 

Liegen geblieben

FlötenspielerDieser Schneebagger hat es offenbar nicht mehr geschafft. Auf dem Weg zum Dach der Welt rostet er vor sich hin

 

Unser Retter in der Not!

FlötenspielerLayliev Zafar, der Fahrer einer kleinen australischen Reisegruppe hat uns gezeigt, wie man richtig Reifen wechselt und notfallmässig flickt. Vielen herzlichen Dank, Layliev! Und für alle unsere Leserinnen und Leser: Falls ihr eine Pamir-Reise plant: Mit Layliev habt ihr einen absoluten Profi als Fahrer! Erkundigt euch entsprechend!